Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024

nehmern gibt, die groß genug ist, um sich dafür auszuspre- chen. Oder wenn es eine größere technologische Verände- rung gibt, die von genügend Ländern und Teilnehmern ak- zeptiert wird. Beides sind Beispiele dafür, was eine entspre- chend koordiniert handelnde Gruppe veranlassen könnte, sich tatsächlich für ein alternatives Gleichgewicht zu entschei- den, auch was das Thema Liquidität von Märkten betrifft. Gibt es denn Trends, die für eine irgendwann vielleicht anstehen- de Veränderung der Situation sorgen könnten? Prof. Hélène Rey: Es gibt zumindest gewisse strukturelle Trends, die sich in diesem Zusammenhang beobachten lassen. Nennenswert in diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Tatsache, dass die USA im Vergleich zu Asien in Bezug auf ihre wirtschaftliche Masse innerhalb der Weltwirt- schaft kleiner geworden sind. Auch die europäische Wirt- schaft wird in der relativen Betrachtung nicht größer. Beides sind strukturelle Trends, die sich beobachten lassen, die aber bei Weitem nicht ausreichen – zumindest nicht in nächster Zeit –, um die beschriebene Externalität der Liquidität irgendwie umzuwerfen. Etwas, das die Dinge beschleunigen könnte: wenn es eine entscheidende Bewegung von genü- gend Marktteilnehmern gäbe, die ihre Märkte und natürlich vor allem ihre Finanzmärkte so stark genug entwickeln wür- den, dass der Versuch, den US-Dollar zu umgehen, nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Wobei es doch schon solche Initiativen gibt, wenn ich zum Beispiel an den BRICS-Gipfel im Oktober im russischen Kasan denke. Prof. Hélène Rey: Es gibt sogar mehrere solche Initiativen, von denen die BRICS-Diskussionen sicher die bedeutends- ten sind. Ein wirklicher Erfolg konnte auf dem Event am Ende doch nicht erzielt werden. Auch nicht im Hinblick auf das vom russischen Finanzministerium vorgestellte gemeinsame Zahlungssystem namens BRICS Bridge, das angeblich schnelle und günstige grenzüberschreitende Zah- lungen zwischen den Mitgliedsstaaten in Landeswährungen ermöglichen soll, inklusive der Nutzung der Blockchain- Technologie und digitaler Währungen der Zentralbanken. Aber für einen außenstehenden Beobachter war doch rasch zu erkennen, dass es eigentlich darum geht, den Weg über Korrespondenzbanken in den USA zu umgehen. Davon sind die Teilnehmer aber noch weit entfernt – zumal die Probleme sehr viel tiefer reichen. Worauf spielen Sie an? Prof. Hélène Rey: Zum einen auf die Tatsache, dass einige der Teilnehmerstaaten entweder ohnehin miteinander zerstrit- ten oder gar verfeindet sind, aber auch darauf, dass die Einigkeit untereinander allenfalls darin besteht, dass man sich über viele Dinge eben nicht einig ist. Am Ende bleibt dann als gemeinsamer Nenner lediglich, dass alle Teilneh- mer den US-Dollar nicht mögen oder ihn gern ersetzen möchten. Zumal es mehr als kompliziert wäre, ein entspre- chend ausgreiftes System auf die Beine zu stellen, das in der Lage wäre, so etwas wie Swift zu ersetzen oder ein eigenes Nachrichtensystem auf die Beine zu stellen. Als Ergebnis bleibt dann oft nur, dass bei einzelnen Zahlungsvorgängen der Dollar gemieden wird, indem man statt zum Beispiel Diram in Dollar und dann Dollar in Rubel zu tauschen, den direkten Weg Diram in Rubel wählt. Das sind dann aber wie gesagt lediglich einzelne Zahlungsvorgänge. Solan- ge man keine tiefgreifenden Vermögensmärkte hat, die mit der Währung verbunden sind, in der man bezahlt wird, bleibt es zum Beispiel schwierig zu sehen, was man mit seinen Rubeln anstellen kann. Etwa anders sieht dagegen die Situation in China aus. 48 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Hélène Rey | London Business School FOTO: © AMY BIRTCHNELL » Wir haben in der EU bis heute keine Kapitalmarktunion, über die seit mehr als 30 Jahren diskutiert wird, ohne dass wir auch nur in die Nähe eines integrierten Bankenmarktes gekommen wären. « Prof. Hélène Rey, London Business School

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