Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024
troversen zukünftige Skandale prognostizieren, wobei die Koeffizienten für diesen alternativen SDG-Score etwa halb so groß ausfallen als jene mit dem SDG-Score selbst.Wich- tiger ist jedoch, dass die Vorhersagekraft dieses alternativen SDG-Scores für zukünftige Skandale statistisch signifikant und ökonomisch bedeutsam bleibt. Es gelingt zu belegen, dass die Einbeziehung herkömmlicher ESG-Scores diese Er- gebnisse qualitativ nicht beeinflusst. Alles in allem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Unternehmensnachhal- tigkeit, gemessen an der Ausrichtung eines Unternehmens an den SDGs, in verschiedenen Richtungen zusätzliche Er- klärungskraft für zukünftige Skandale bietet, nicht nur in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit von deren Eintreten. Doch wie sieht es im Hinblick auf die Vorhersagekraft einzelner SDGs aus? Hier dokumentieren die Autoren eine große Heterogenität in der Fähigkeit einzelner SDG-Beiträ- ge, zukünftige Skandale zu prognostizieren. Drei der 17 ein- zelnen SDGs zeigen in jeder Spezifikation eine statistisch sig- nifikante negative Assoziation mit zukünftigen Skandalen. Dazu gehören SDG 1 („Keine Armut“), SDG 7 („Bezahlbare und saubere Energie“) und SDG 13 („Maßnahmen zum Klimaschutz“).Während SDG 1 hochkarätige Kontroversen wie Misshandlung lokaler Gemeinschaften und Ausbeu- tung von Arbeitskräften betrifft, könnte die starke Wirkung klimabezogener SDGs mit der zunehmenden Betonung der Rolle von Unternehmen bei der Energie- und Klimawende in den Medien und globalen politischen Diskussionen zusammenhängen. Schließlich wurde festgestellt, dass die Vorhersagefähigkeit der SDG-Werte in der Stichprobe in zwei Sektoren am ausgeprägtesten ist: bei Energie- und Ver- sorgungsunternehmen. Firmen in diesen beiden Sektoren mit niedrigen SDG-Werten sind wahrscheinlich im Bereich fossiler Brennstoffe tätig. Dies geht einher mit einem hohen externen Risiko von Skandalen aufgrund umweltverschmut- zungsbedingter Unfälle und geringer Legitimität aufgrund einer verstärkten gesellschaftlichen Kontrolle. Im Gegensatz dazu sind Firmen in diesen Sektoren mit hohen SDG-Wer- ten im Bereich saubere Energie tätig. Sie bieten geringere externe Risiken und eine höhere Legitimität. Einordnung Angesichts des beispiellosen Anstiegs nachhaltiger Investitio- nen und der großen Bedeutung nachhaltigkeitsbezogener Informationen für Investitionsentscheidungen ist es wichtig zu erkennen, dass eine neue Kenngröße für die Nachhaltig- keit von Unternehmen, die auf den SDGs basiert, dazu bei- tragen kann, Skandale zu vermeiden. Dies wiederum unter- stützt die Nachhaltigkeit und die finanzielle Performance der Investoren. Schließlich stellt die Studie fest, dass die Vor- hersagekraft der SDG-Werte in den beiden Sektoren Energie und Versorgungsunternehmen am ausgeprägtesten ist. In der Studie finden sich Hinweise darauf, dass ein positiver Beitrag zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung – gemes- sen am SDG-Score – im Großen und Ganzen mit weniger Skandalen im nächsten Zeitraum verbunden ist. Es gelingt zu zeigen, dass diese Kenngröße eine Erklärungskraft bietet, die über jene der nicht unumstrittenen ESG-Scores hinaus- geht, und eine stärkere und konsistentere Beziehung auf- weist.Dies deutet auf eine alternative Informationsquelle für Investoren hin, die Unternehmen herausfiltern möchten, bei denen es in Zukunft wahrscheinlicher ist, dass sie weniger skandalverfangen sein werden. Dies wiederum unterstützt die Nachhaltigkeit und die finanzielle Performance der Investoren, die dadurch weniger hohen idiosynkratischen Drawdowns ausgesetzt sind. Schließlich deuten die Studien- ergebnisse darauf hin, dass die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen als Signal für deren gesellschaftliche Legitimität dient und die Informationsunsicherheit verrin- gert. Nachhaltigere Unternehmen ergreifen offensichtlich Maßnahmen, die von den Stakeholdern als wünschenswert angesehen werden und die gesellschaftliche Verantwortung widerspiegeln, die das Unternehmen trägt. Die Ergebnisse legen dar, dass der Zusammenhang zwischen der Nach- haltigkeit von Unternehmen und zukünftigen Skandalen von stark beobachteten und potenziell umstrittenen Sekto- ren bestimmt wird. Für institutionelle Investoren erhebt sich die Frage, ob es tatsächlich klug ist, demHerdentrieb zu folgen und sich auf die von den großen Nachhaltigkeits-Ratingagenturen ange- botenen ESG-Ratings zu verlassen, wo doch diese offenbar deutlich weniger Erklärungskraft für künftige Skandale be- sitzen. Vielleicht sollte man – auch als überzeugter Anhän- ger des anthropogenen Klimawandels – doch ein klein we- nig aus dem Mainstream ausscheren und alternative Wege bei der Auswahl der relevanten Kenngröße für die Prognose der Wahrscheinlichkeit künftiger Skandale betreten. SDG- Scores respektive Fondsprodukte, die unter Zuhilfenahme dieser SDG-Scores gemanagt werden, scheinen theoretisch gut unterfüttert zu sein. Ein gründliches Studium der vorgestellten Studie wird bei der Entscheidungsfindung jedenfalls helfen. DR. KURT BECKER 148 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Aktienauswahl FOTO: © ROBECO (2) » Eine SDG-Orientierung der Unternehmen erhöht deren Legitimität, und Investoren können Nachhaltigkeits- und Finanzziele verbessern. « Dr. Laurens Swinkels, Associate Professor an der Erasmus School of Economics in Rotterdam » Wenn auf die SDGs ausgerichtete Firmen in Skandale verwickelt sind, betreffen diese weniger kontroverse Themen. « Dr. Jan Anton van Zanten, SDG-Stratege bei Robeco in Rotterdam
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