Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024
hinaus führen Unternehmensskandale zu einem Vertrauens- verlust in den Finanzmarkt insgesamt und zu einer geringe- ren Beteiligung an der Börse. Dies belegten für den Retail- bereich Mariassunta Giannetti und Tracy Yue Wang bereits 2016 in „Corporate Scandals and Household Stock Market Participation“, veröffentlicht im Journal of Finance. Diese Auswirkungen stehen nicht im Einklang mit den Zielen der Investoren. Dies gilt auch für den wachsenden Anteil von Anlegern, die wünschen, dass ihr Vermögen so verwaltet wird, dass es zur Förderung positiver ökologischer und gesellschaftlicher Veränderungen oder zur Schadensvermei- dung beiträgt oder Strategien als aktive Eigentümer verfolgt, die solche Unternehmen zur Verbesserung ihrer Nachhaltig- keitsperformance drängen. Die Fähigkeit, Unternehmen zu identifizieren, die wahrscheinlich in Skandale verwickelt wer- den, kann Investoren dabei helfen, sowohl ihre finanziellen als auch ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Nachhaltigere Unternehmen sind aus zwei Gründen mög- licherweise seltener in Unternehmensskandale verwickelt. Erstens haben Unternehmen mit schlechtem Nachhaltig- keitsmanagement bei sonst gleichen Bedingungen eine höhere Wahrscheinlichkeit, Skandale zu verursachen. Dies kann insbesondere für Firmen gelten, die in weniger nach- haltigen Sektoren wie Öl- und Gasförderung oder demKoh- lebergbau tätig sind, wo die Wahrscheinlichkeit von Um- welt- oder sozialen Unfällen größer ist. Zweitens wird argu- mentiert, dass nachhaltigere Unternehmen eine stärkere Da- seinsberechtigung haben als Unternehmen, deren Aktivitä- ten gesellschaftlichen oder ökologischen Schaden verursa- chen, da sie „auf sozial akzeptable Weise zu sozial akzeptab- len Zielen beitragen“, wie Blake E. Ashforth und Barrie W. Gibbs bereits 1990 in „The Double-Edge of Organizational Legitimation“ festhielten, und somit angemessen im Ein- klang mit gesellschaftlichen Normen und Werten handeln. Weniger nachhaltig agierende Unternehmen mit einge- schränkter Akzeptanz infolge ihrer Handlungen beziehungs- weise Unterlassungen ziehen daher mehr öffentliche Auf- merksamkeit auf sich. Gemeinsam liefern diese beiden Annahmen Gründe, warum die Nachhaltigkeitsperfor- mance von Firmen negativ mit der Wahrscheinlichkeit von Unternehmensskandalen korreliert sein kann. ESG-Rating-Frage Verschiedene Studien haben den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Skandalen untersucht, vorwiegend unter Verwendung weit verbreiteter ESG-Ratings. Dennoch be- steht kein Konsens über die Gültigkeit dieses Zusammen- hangs. So hält Sebastian Utz 2019 in „Corporate Scandals and the Reliability of ESG Assessments: Evidence from an International Sample“ aggregierte ESG-Ratings für ungeeig- net, um zukünftige Skandale zu prognostizieren. In ähnli- cher Weise stellen neuere Studien – etwa von George Sera- feim und Aaron Yoon 2023 mit dem Titel „Stock Price Reactions to ESG News: The Role of ESG Ratings and Dis- agreement“ – fest, dass ESG-Ratings ausgewählter Anbieter mit Skandalen in Verbindung gebracht werden könnten und die Vorhersagekraft aufgrund abweichender ESG-Ra- tings abnimmt. Es ist wichtig festzuhalten, dass die Stichhal- tigkeit von ESG-Ratings infrage gestellt wird. Einerseits gibt es die komplexe Konstruktion verschiedener Komponenten und Gewichtungen, die dazu führt, dass Ratings voneinan- der abweichen, andererseits stellt sich die grundsätzliche Fra- ge, ob ESG-Ratings wirklich relevante Dinge messen.Diesen Skandale wie „Dieselgate“ können die Entwicklung der darin verwickelten Unternehmen nachhaltig beeinträchtigen. Sind „ESG-konformere“ Firmen weniger anfällig dafür? Skandalstatistik Verteilung von Skandalen nach GICS-Sektoren Beobachtungen Durchschnitt Standardabweichung Kommunikationsdienstleistungen 2.169 3,99 13,49 Diskretionärer Konsum 5.152 5,51 20,37 Basiskonsum 2.116 7,23 18,31 Energie 1.943 12,14 32,76 Finanzwerte 1.424 4,29 14,30 Gesundheit/Pharma 3.496 3,09 10,16 Industrie 7.311 2,69 7,15 Informationstechnologie 3.774 1,80 8,07 Rohstoffe 4.049 4,77 13,50 Immobilien 428 0,53 1,21 Versorger 1.483 5,32 11,04 Gesamt 33.345 4,40 15,21 Etwa die Hälfte aller beobachteten Skandale konzentriert sich auf die drei Sektoren Industrie, Rohstoffe und diskretionäre Konsumgüter. Dies sind Branchen mit hohem Risiko für nachteilige Auswirkungen. Quelle: Studie N o . 4/2024 | institutional-money.com 145 Aktienauswahl | THEORIE & PRAXIS FOTO: © ZIHE | STOCK.ADOBE.COM
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