Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024
stoffemissionen melden, einen Emissionsbericht vorlegen und eine entsprechende Menge an Zertifikaten abgeben. Die Daten werden bis Ende März von einer akkreditierten Stelle überprüft, bevor die Betreiber bis Ende April die ent- sprechende Zahl von Papieren einreichen müssen. Für jede Tonne an Emissionen, für die das nicht oder nicht rechtzei- tig geschieht, fällt eine zusätzliche Strafe von 100 Euro an. Effektiv vs. effizient Die Metastudie „Systematic Review and Meta-Analysis of Ex-Post Evaluations on the Effectiveness of Carbon Pricing“ analysiert 70 Systeme zur Bepreisung von CO 2 . Darin kom- men die Forscher zum Ergebnis, dass diese zu einer erheb- lichen Verringerung der Emissionen führen. Insbesondere das Cap-and-Trade-Modell hat sich als bevorzugter und kos- teneffizienter Mechanismus zur Eindämmung des Anstiegs von Kohlendioxid in der Atmosphäre erwiesen. Weltweit haben sich entsprechende Programme auf nationaler, sub- nationaler und regionaler Ebene etabliert. Die theoretisch beste Lösung einer global einheitlichen Kohlenstoffbeprei- sung scheint derzeit aber weit entfernt. Neben der Effektivität,mit der Emissionen reduziert wer- den, ist auch die Effizienz des marktbasierten Mechanismus ein wichtiges Erfolgskriterium. Die Studie „Inefficiencies of Carbon Trading Markets“ von Nicola Borri (LUISS Univer- sity), Yukun Liu (University of Rochester), Aleh Tsyvinski (Yale University) und Xi Wu (University of California) ist die erste, die den gesamten Cap-and-Trade-Markt für Kohlenstoff als Finanzmarkt untersucht, und deshalb von besonderem Interesse. Allerdings ist das Fazit der Forscher ernüchternd: Das Emissionshandelssystem der EU ist auffallend ineffi- zient, was seinen beabsichtigten Zweck erheblich untergra- ben kann. Die Autoren untersuchen detaillierte, öffentlich verfügbare Transaktions- und Compliance-Daten von Fir- men, die am Emissionshandelssystem der EU teilnehmen. Die Stichprobe umfasst den Zeitraum von Februar 2005 bis April 2020. Dabei konzentrieren sich die Forscher auf Trans- aktionen regulierter Unternehmen und Betreiber unter- einander, also auf die interne Marktdynamik. Transaktionen mit administrativen Konten, die den Erhalt oder die Abgabe von Zertifikaten an die Regulierungsbehörden abbilden, bleiben bei der Analyse unberücksichtigt. Ergebnisse Insgesamt kommen die Forscher zu drei wesentlichen Er- kenntnissen. Zum einen stellen sie fest, dass ein erheblicher Teil der Unternehmen überhaupt nicht aktiv handelt. Das betrifft einen großen Anteil von etwa 40 Prozent der Firmen pro Jahr. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass diese Unternehmen genau die Menge an Zertifikaten zuge- teilt bekommen, die ihrer Abgabepflicht im Rahmen der Emissionen entspricht. Die Daten zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Tatsächlich weisen viele der Firmen in den Jahren, in denen sie nicht handeln, ein Ungleichgewicht an Zertifikaten auf. Die meisten von ihnen stocken ihre Bestän- de durch Transaktionen im letzten Moment noch auf, um keine Strafe zahlen zu müssen. Zu beachten ist auch, dass einige Firmen nicht genutzte Papiere von einem Jahr auf das nächste übertragen und ihre „gesparten“Zertifikate zu einem späteren Zeitpunkt verwenden können. Allerdings zeigt die Analyse der Autoren, dass auch das nicht erklärt, weshalb viele Firmen überhaupt nicht handeln. Stattdessen deutet die Inaktivität auf eine Marktineffizienz hin.Hinzu kommt, dass dieses Verhalten dem Zweck des Systems nicht gerecht wird. In einem Cap-and-Trade-Modell sollten die regulierten Unternehmen schließlich aktiv am Markt teilnehmen, da- mit die Zertifikate der produktivsten Verwendung zukom- men. Zweitens zeigen die Forscher, dass viele der Firmen zu ungünstigen Zeiten und Preisen handeln. Dadurch fahren Showtime im April Monatliches Nettokaufvolumen von Emissionszertifikaten im Zeitablauf Der Kauf von Emissionszertifikaten findet überwiegend im April jedes Jahres statt (rote Balken). Während des gesamten Untersuchungszeitraums weist dieser Monat die größten Nettokäufe durch regulierte Unternehmen auf. Der Dezember ist in der Regel der zweitgrößte Nettokaufmonat, möglicherweise aus steuerlichen Gründen oder wegen des Auslaufens des gängigsten Terminkontrakts. Quelle: Borri, N. / Liu, Y. / Tsyvinski, A. / Wu, X. (2024), Inefficiencies of Carbon Trading Markets Januar 2005 Januar 2010 Januar 2015 Januar 2020 -100 0 100 200 300 400 500 Netto-Kaufvolumen in Mio. Euro 140 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Emissionshandel FOTO: © YALE UNIVERSITY, UNIVERSITY OF ROCHESTER » Etwa 40 Prozent der regulierten Firmen handeln in einem bestimmten Jahr überhaupt nicht. « Aleh Tsyvinski, Professor of Economics and Global Affairs & Profes- sor of Management, Department of Economics, Yale University » Viele Firmen handeln erst im letzten Moment, wenn die Preise vorhersehbar hoch sind. « Yukun Liu, Associate Professor of Finance, Simon Business School, University of Rochester
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