Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024
dass der Erklärungsgehalt von Liquidität bereitstellenden Leerverkäufen nicht durch andere Faktoren überlagert wird. Die Daten scheinen also einzigartige Informationen über künftige Aktienrenditen zu enthalten. Spannend ist nun die Frage, wie sich der Prognosegehalt erklären lässt. Eine Vermutung wäre, dass Market Maker auf diesem Weg indirekt für die Bereitstellung von Liquidität bezahlt werden. Eine andere Idee könnte das opportunisti- sche Tragen von Risiken sein. Damit sind Marktteilnehmer gemeint, die bei volatilen Aktien oder in Zeiten erhöhter Unsicherheit temporär Liquidität bereitstellen, bis sich die Lage wieder beruhigt, um so eine entsprechende Prämie ein- zufahren. Allerdings schließen die Autoren beides anhand entsprechender Tests aus. Als Nächstes untersuchen sie die Vorhersagekraft an Tagen mit unternehmensspezifischen Nachrichten. Das Ergebnis: Short Sales, die an diesen Tagen Liquidität bereit- stellen, sind besonders aufschlussreich für künftige Renditen. Daraus lässt sich ableiten, dass diese Leerverkäufe mit Infor- mationen zusammenhängen, die in die Aktienkurse einflie- ßen. Außerdem untersuchen die Forscher den Zusammen- hang mit Querschnittsanomalien. Dabei zeigt sich, dass Short Sales, die Liquidität bereitstellen, verstärkt in gemäß den Anomalien überbewerteten Aktien aktiv sind. Das gilt nicht für Leerverkäufe, die Liquidität nachfragen. Insgesamt deutet die Studie darauf hin, dass informierte Leerverkäufer von längerfristigen Preisrückgängen profitie- ren, indem sie dem Markt Liquidität zuführen, anstatt sie ihm zu entziehen. Damit spielen sie eine Schlüsselrolle für die Markteffizienz. Vor allem wenn die Informationen ver- gleichsweise langlebig sind und kein unmittelbarer Bedarf für eine schnelle Umsetzung der jeweiligen Trades besteht, lohnt es sich, strategisch Liquidität bereitstellen.Die Autoren schreiben, dass diese Einschätzung durch empirische Stu- dien gestützt wird, denen zufolge Insider oft Limitorders verwenden oder Trades in der Zeit begrenzen. Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen die Verringerung des Markt- Impacts, zum anderen das Versteckspiel, ihren Informations- vorsprung nicht zu verraten. Das gilt besonders, wenn der Vorteil – anders als in der bisherigen Literatur vermutet – eher langlebig ist. Allerdings dämpfen die Forscher die Erwartung, eine profitable Strategie auf Basis der verwendeten Daten zu ent- wickeln. Denn die Leerverkäufe auf Transaktionsebene werden nur monatlich und mit einer Veröffentlichungsfrist von etwa zwei Wochen publiziert. Es ist also nicht möglich, diese unmittelbar zu nutzen. Die Ergebnisse sind aber in einer anderen Hinsicht relevant. Wenn dieselben Leerver- käufer sowohl Liquidität bereitstellen als auch die Markteffi- zienz verbessern, könnte es für die Regulierung in Zukunft noch schwerer werden, Short Selling in Krisenzeiten einen Riegel vorzuschieben. Hinweis: Eine weitere Dimension der Analyse von Leer- verkäufen wurde in Institutional Money, Ausgabe 1/2024, beschrieben. In „Ungedeckte Leerverkäufe“ ging es darum, dass manche Aktien besonders häufig nicht rechtzeitig zum Settlement ausgeliefert werden. Bei diesen Fails-to-Deliver bestehen erhöhte Chancen, dass negative Informationen erst noch eingepreist werden. DR. MARKO GRÄNITZ Klare Divergenz im Zeitablauf Short Sales, die Liquidität bereitstellen, weisen auf niedrigere Renditen hin. Dargestellt ist das kumulative 6-Faktor-Alpha für Long-Short-Portfolios aus Leerverkäufen, die Liquidität nachfragen beziehungsweise bereitstellen. Es liegen jeweils Top/Flop-Quintil-Portfolios zugrunde. Die schattierten Bereiche stellen 95-%-Konfidenzintervalle dar. Quelle: Goyal, A. / Reed, A. / Smajlbegovic, E. / Soebhag, A. (2024), Stealthy Shorts: Informed Liquidity Supply 1 0 3 2 5 4 7 6 9 8 11 10 13 12 15 14 17 16 19 18 21 20 -0,6 % -0,5 % -0,4 % -0,3 % -0,2 % -0,1 % 0,0 % 0,1 % Liquidität bereitgestellt Liquidität nachgefragt Kumulatives 6-Faktor-Alpha in Prozent Tage 128 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Shortseller-Liquidität Autoren dämpfen die Erwartung, eine profitable Strategie auf Basis der verwendeten Daten zu entwickeln. » Informierte Händler scheinen strategisch Liquidität bereitzustellen. « Esad Smajlbegovic, Associate Professor of Finance, Erasmus University Rotterdam
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