Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024

Spannungen lösen spekulative Nachfrage aus, treiben den Ölpreis hinauf und verstärken den Inflationsdruck.Dagegen wirken reale Ereignisse oft wie negative Nachfrageschocks, die die Inflation dämpfen und die wirtschaftliche Aktivität direkt belasten. Außerdem wird auch klar, dass eine Krise, die in einem Teil der Welt – etwa Europa – als verheerend wahrgenom- men wird, in einer anderen Region – etwa den USA – als nahezu vernachlässigbar erscheint. Gravitationseffekte Intuitiv lässt sich daraus ableiten, dass die Größe des Schocks mit der Größe der betroffenenen wirtschaftlichen Region zusammenhängt – eine Hypothese, der im IWF-Paper „A Gravity Model of Geopolitics and Financial Fragmentation“ nachgegangen wird. Das Paper von Mario Catalán, Salih Fendoglu und Tomohiro Tsuruga baut dabei auf der Arbeit von Richard Portes und Hélène Rey auf, die im Jahr 2005 mit ihrem Gravity-Modell einen bedeutenden Beitrag zur Analyse internationaler Finanzströme geleistet haben. Das Modell, inspiriert von den Gravitationsgesetzen der Physik, beschreibt den Handel mit Finanzvermögen zwischen Län- dern anhand zweier zentraler Variablen: der Größe der Märkte und der Distanz zwischen ihnen. Im Finanzkontext steht die „Masse“ eines Landes für die Größe und Attraktivität seines Finanzmarktes. Faktoren wie das Bruttoinlandsprodukt, die Tiefe des Finanzsystems und die Liquidität von Vermögenswerten machen ein Land zu einem bevorzugten Ziel für internationale Investitionen. Je größer die „Masse“, desto stärker die Anziehungskraft auf Kapitalströme.Die „Distanz“hingegen umfasst mehr als nur eine geografische Trennung. Sie beschreibt auch kulturelle, regulatorische und institutionelle Unterschiede. Hohe regu- latorische Barrieren, schwache institutionelle Rahmenbedin- gungen oder ein Mangel an Handelsbeziehungen vergrö- ßern diese Distanz und schwächen die Interaktion zwischen Finanzmärkten (siehe auch Chartbild „Gravitationseffekte im Investmentuniversum“) . Der IWF-Ansatz fokussiert in diesem Kontext auf ein empirisches Modell, das den Einfluss geopolitischer Distanz auf die grenzüberschreitende Kapitalallokation von Invest- mentfonds aufzeigen soll. Im Zentrum steht der sogenannte S-Score nach Signorino und Ritter, der geopolitische Distanz durch Unterschiede im Abstimmungsverhalten der Länder Charts der Entfremdung Dargestellt werden drei Indizes, die die bilaterale geopolitische Distanz messen. Generell gilt der hier grün abgebildete S-Index gemäß Signorino & Ritter als Benchmark für die Vermessung geopolitischer Distanz. Für alle drei Maße gilt: Je höher der Wert, desto größer die Distanz. Eindrücklich stellt sich die historische Entspannung zwischen Russland auf der einen und den USA sowie dem UK auf der anderen Seite dar. Die Daten erfassen aber nicht den Verlauf des russischen Angriffs auf die Ukraine. *S-Index gemäß Signorino & Ritter | **Pi-Index gemäß Häge | *** IPD von Bailey et al. Quelle: IWF 0 2 4 6 -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 0 1 2 3 4 5 -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006 2011 2016 2021 0 0,5 1 1,5 2 -1,5 -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 0 2 4 6 -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 1946 1951 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006 2011 2016 2021 1946 1951 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006 2011 2016 2021 1946 1951 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006 2011 2016 2021 Vereinigte Staaten vs. Russland Vereinigtes Königreich vs. Russland Vereinigte Staaten vs. China Vereinigte Staaten vs. Vereinigtes Königreich Kontrollindex 2*** (Achse rechts) Kontrollindex 1** (Achse links) Geopolitische Distanz* (Achse links) 102 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Geopolitik » Eine Erhöhung der geopolitischen Distanz um eine Standardabweichung reduziert die bilateralen Aktieninvestitionen um etwa 25 Prozent. « Mario Catalán, IWF

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